„Wir werden die Welt in Brand setzen!“
Freunde zu finden, ist Erins größter Wunsch, als sie zum Studium nach Dublin geht. Da sie bisher mehr Zeit mit Büchern als mit Gleichaltrigen verbrachte, fällt ihr das nicht leicht.
Und dann geschieht das Unvorstellbare: Während einer Halloweenfeier werden sie und der Frauenschwarm Conor durch ein Weltentor in die Anderwelt gezogen. Doch anders als in den keltischen Mythen beschrieben, ist diese Welt voller Gefahren und mordlüsterner magischer Wesen. Um in ihre Welt zurückzukehren, müssen Erin und Conor sich nicht nur ihren größten Ängsten stellen, sondern auch den Gestaltwandler Fintan, der sie töten will, als Verbündeten gewinnen …
Eine spannungsgeladene Geschichte voller überraschender Wendungen und funkensprühender Momente rund um eine verbotene Liebe, die die Macht hat, Welten zu retten oder zu zerstören.
Erin richtete die Platten mit den Brownies, Tartes und Scones in einem rechten Winkel zur Glasfront der Vitrine aus und seufzte. Noch zwei Stunden bis zum Feierabend. Sie sah aus dem Fenster. Es war Ende Juli, doch seit Tagen schien es, als hätte der Herbst frühzeitig Einzug gehalten. Der Regen rann in Strömen die Scheibe hinab und ließ die menschenleere Straße vor dem kleinen Café verschwimmen. Normalerweise war das beschauliche Fischerörtchen am Ufer der Galway Bay ein beliebtes Ausflugsziel und das Eckcafé ein willkommener Ort, um sich mit einem Tässchen Tee und etwas Süßem zu verwöhnen. Doch bei dem Wetter traute sich wohl niemand aus dem Haus.
Erin nahm einen Lappen und polierte die chromglänzende Kaffeemaschine. Auf einmal ertönte hinter ihr die Glocke der Eingangstür. Endlich. Kundschaft bedeutete, dass sie etwas zu tun bekam und die Zeit nicht mehr im Schneckentempo dahinkroch. Sie legte das Tuch beiseite und drehte sich um. Als sie die beiden Frauen sah, die das Café betraten, erstarrte sie innerlich. Die hatten ihr gerade noch gefehlt!
»Wen haben wir denn da?«, säuselte ihre ehemalige Mitschülerin Linn. »Schicke Arbeitskleidung.«
Erin nestelte an den weißen Rüschen, mit denen Roselyn die selbst genähte Schürze verziert hatte.
»Gewagte Farbe.« Nora, Linns beste Freundin, zog die Brauen hoch. »Dieses Schweinchenrosa kann nicht jeder tragen, aber für dich scheint es wie gemacht zu sein.«
Erin zwang sich ein Lächeln auf die Lippen. »Was möchtet ihr haben?«
»Wir nehmen zwei Cappuccino mit fettarmer Milch«, antwortete Linn.
»To go.« Nora musterte Erin von oben bis unten. »Mit dieser Schürze übersieht dich niemand. Dabei bist du eigentlich der unscheinbare Typ. Na ja, für sein Aussehen kann man ja nichts. Wie nennt man deine Haarfarbe noch mal? Aschblond?«
Linn kicherte. »Oder mausgrau. Das läuft auf dasselbe hinaus. Auf jeden Fall sollte Erin dankbar sein, dass sie so farblos sind. Stell dir vor, sie wären rot! Das würde sich mit all dem Pink hier drin beißen. So verschmilzt sie perfekt mit dem Hintergrund.«
Plötzlich fühlte sich Erins Hirn wie leer gefegt an. Sie wollte die beiden zu gern in die Schranken weisen. Ihnen zeigen, dass sie von ihren Sticheleien genug hatte und sich nicht länger derart herablassend behandeln ließ. Doch da war nichts. Nicht ein einziges Wort des Protests kam über ihre Lippen. Schnell drehte sie sich zur Kaffeemaschine, damit die beiden nicht sahen, welche Wirkung sie auf sie hatten. Tief durchatmen, ermahnte sie sich. Sie hielt den Siebträger unter das Mahlwerk und beobachtete, wie das Kaffeepulver in das Sieb rieselte. Als sie und ihre Mutter vor vier Jahren nach Bearnas gezogen waren, hatte Erin vom ersten Tag an auf der Abschussliste ihrer neuen Mitschülerinnen gestanden. Anfangs grübelte sie unentwegt darüber nach, warum sie ins Visier der Gruppe geraten war. Hatte sie eines der Mädchen unwissentlich beleidigt? War sie zu aufdringlich? Sie hatte sich das Gehirn zermartert, jedoch keine Erklärung für das Verhalten gefunden. Wahrscheinlich war sie einfach zur falschen Zeit in der Klasse aufgetaucht. Also hatte sie die Anfeindungen wie eine verdiente Strafe hingenommen. Strafe für das, was sie ihrer Schwester angetan hatte. Natürlich waren die verbalen Seitenhiebe der Mädchen nicht als Buße gedacht. Schließlich wusste hier niemand von Una. Und schon gar nicht, dass sie tot war. Irgendwann hatten ihre Mitschülerinnen sie die meiste Zeit ignoriert. Alle. Bis auf Linn und Nora.
Der Kaffeeautomat zischte und riss Erin aus ihren Erinnerungen. Sie goss den dampfenden Espresso in die bereitgestellten Becher und hielt das Milchkännchen unter die Aufschäumdüse. Ihre Hand bebte. Sie hasste es, dass die beiden diese Macht über sie hatten. Doch in ein paar Wochen begann endlich ihr Studium in Dublin. Dann würde sie all die Linns und Noras dieser Welt hinter sich lassen. Am Trinity College wartete ein Neuanfang auf sie. Und dieses Mal würde sie alles dafür tun, Freunde zu finden. Sie hatte beschlossen, dass ihre Zeit als Außenseiterin und Fußabtreter vorbei war.